Kryptorchismus und Hypospadie: Gendefekte erklären Östrogenwirkung


aerzteblatt.de

Houston – Ein offenbar labiles Gleichgewicht von Östrogenen und Androgenen, das die Entwicklung des äußeren männlichen Genitals bestimmt, kann bereits durch die Duplikation eines einzelnen Gens gestört werden. Die Folge kann ein Kryptorchismus oder eine Hypospadie sein, wie eine Studie in Nature Medicine (2014; doi:10.1038/nm.3580) zeigt.
Bei 3 Prozent aller Jungen ist die Wanderung des Hodens ins Skrotum bei der Geburt nicht abgeschlossen, bei einem von 125 Knaben mündet die Harnröhre an der Unterseite des Penis. Kryptorchismus und Hypospadie sind damit die häufigsten angeborenen Fehlbildungen des männlichen Genitals. Ihre Ursache ist unbekannt, doch eine Störung im Gleichgewicht zwischen Androgenen und Östrogenen wird seit längerem vermutet.

Androgene sind in der vorgeburtlichen Entwicklung maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich der Urnierengang (Wolff-Gang) in Samenleiter und Samendrüse differenziert. Den Abschluss dieser Entwicklung bildet der Descensus der Testes in den Hodensack und die Entwicklung der Harnröhrenöffnung. Hier können kleinste Störung zu einer Fehlentwicklung führen, wie das Team um Dolores Lamb vom Baylor College of Medicine in Houston zeigt.
Die Forscher hatten zunächst das Genom von 116 Kindern mit Kryptorchismus, Hypospadie oder anderen Entwicklungsstörungen des Penis untersucht. Sie verwendeten dabei als Technik die „array comparative genomic hybridization“, mit der Varianten in der Zahl der Genkopien (Copy number variation, CNV) identifiziert werden können. Bei zwei Kindern fanden sie Duplikationen in dem Gen VAMP7, das die Information für bestimmte Transportproteine in der Zelle enthält.
Weitere Untersuchungen ergaben, dass zusätzliche VAMP7-Kopien den Transport des Estrogenrezeptors alpha beschleunigen. Dies allein reicht aus, um die Entwicklung des äußeren männlichen Genitals empfindlich zu stören. Dies konnten die Forscher an Mäusen zeigen, deren Erbgut die Forscher mit zusätzlichen Kopien des VAMP7-Gens ausgestattet hatten. Die Tiere entwickelten regelmäßig einen Maldescensus testis und unterschiedliche Entwicklungsstörungen des Penis.
Beim Menschen sind Duplikationen des VAMP7-Gens vermutlich nur für eine kleine Zahl der Kryptorchismus und Hypospadien verantwortlich. Die Forscher konnten die Störung bisher nur bei zwei weiteren Patienten nachweisen. Die Häufigkeit des Gendefekts lag insgesamt bei 1,35 Prozent.
Dass bereits leichte genetische Störungen im Gleichgewicht der beiden Sexualhormone zu Fehlbildungen führen, liefert indirekt eine Erklärung für den Einfluss von Umwelt­faktoren. In anderen Studien wurde die Exposition durch Umweltschadstoffe (Stichwort: endokrine Disruptoren) oder die Ernährung (Phytoöstrogene) während der Schwangerschaft ebenfalls mit Entwicklungsstörungen des männlichen Genitals in Verbindung gebracht.

0 comentarios :

Publicar un comentario